Schauspieler-Paar Bezzel/Gehlen: Zwischen Leberkäs, Laptop und Lederhose.

© Conny Trumann
Sebastian Bezzel und Johanna Christine Gehlen sind seit zehn Jahren verheiratet. Im Interview sprechen sie über den Provinzpolizisten Franz Eberhofer, barocke Traditionen und das Elterndasein als Schauspieler.
Spiegel Online
31.08.2019
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SPIEGEL ONLINE: Wann gibt es bei Ihnen zuhause Leberkäs?

Sebastian Bezzel: Der Leberkäs an sich spielt in meinem Leben keine große Rolle. Nachdem ich zwei Wochen durch bayerische Kinos getourt bin und überall Leberkäs bekommen habe, habe ich ihn etwas über.

SPIEGEL ONLINE: Klingt, als habe Sie die Kinotour ziemlich geschafft.

Bezzel: Diese laute Art, sich selbst zu feiern, so euphorisch, herzlich, manchmal auch krachledernd, das gibt es so im Norden nicht. Einige Zuschauer verkleiden sich sogar manchmal als Eberhofer, sie können die Filmdialoge auswendig und finden alles toll, auch weil es einfach bayerisch ist. Dabei habe ich manchmal das Gefühl, dass der eine oder andere bayerische Zuschauer die Eberhofer-Filme vielleicht falsch versteht. Sie kommen in Tracht und die Blasmusik spielt, aber sowohl Blasmusik als auch Trachten kommen in den Filmen kaum vor und ich spiele einen Misanthropen, der darauf sowieso keinen Bock hat. Jedenfalls finde ich es jetzt herrlich wieder bei meiner Familie im Norden zu sein.

SPIEGEL ONLINE: Sprechen Ihre Kinder Bayerisch?

Johanna Christine Gehlen: Leider kaum, aber sie lieben Leberkäs-Semmel. Sie freuen sich sehr, wenn sie in Garmisch-Partenkirchen, wo die Großeltern, also Sebastians Eltern, leben, zum Metzger gehen dürfen. Unsere Tochter trägt auch sehr gern Dirndl, allerdings nicht in Hamburg, nur in Bayern.

SPIEGEL ONLINE: Was ist für Kinder in Bayern anders als in Norddeutschland?

Bezzel: Ich denke nicht, dass die Unterschiede regional bedingt sind, aber es macht einen großen Unterschied, ob Kinder in der Stadt oder auf dem Land aufwachsen. Noch wichtiger ist meiner Meinung nach das soziale Milieu: In einem Viertel wie Hamburg-Ottensen leben Kinder ähnlich wie in München-Schwabing. Und die Kinder in Mümmelmannsberg in Hamburg haben die gleichen Probleme wie die Kinder in München-Hasenbergl.

SPIEGEL ONLINE: Also bemerken Sie keine regionalen Unterschiede?

Bezzel: Abgesehen davon, dass in Bayern alles etwas barocker ist, fällt mir die starke Leistungsorientierung dort auf. Man betreibt zum Beispiel keinen Sport, man spielt kein Theater, einfach nur, weil es Spaß macht - sondern es geht sehr oft darum, Leistung zu zeigen.

SPIEGEL ONLINE: Erklärt sich dadurch, dass bayerische Schulen bei Ländervergleichen oft besonders gut abschneiden?

Bezzel: Das kommt vielleicht auch daher, dass wir in Bayern eine Regierung haben, die ewig lange beharrlich ihren Kurs verfolgen konnte. Ich bin kein Anhänger der CSU, ganz im Gegenteil, aber in anderen Ländern gab es öfter einen politischen Wechsel und weniger Konstanz im Bildungsbereich.

SPIEGEL ONLINE: In Bayern hängen Kruzifixe in Klassenräumen und Behörden. Spüren Sie als Familie den größeren Einfluss der Religion?

Bezzel: In Garmisch-Patenkirchen, wo ich geboren bin, sind fast alle Kinder getauft. Wir stoßen dort ab und zu auf Besorgnis und Erstaunen, weil unsere Kinder nicht getauft sind. In Hamburg ist das gar kein Thema.

Gehlen: Ich bin weder evangelisch noch katholisch getauft. Für Sebastians Familie war das nie ein Problem. Sebastian kommt allerdings auch nicht aus einer traditionell einheimischen Familie.

Bezzel: Meine Eltern sind aus beruflichen Gründen in den Sechzigern von München nach Garmisch gezogen und eher großstädtisch geprägt. Sie sind beide Akademiker, das war damals auf dem Land eher ungewöhnlich.

SPIEGEL ONLINE: Was schätzen Sie an Ihrer alten Heimat?

Bezzel: Interessant finde ich den Spagat zwischen Laptop und Lederhose, den hat man in Bayern gut hinbekommen, und das ist nicht zuletzt Franz Josef Strauß zu verdanken. Er hat es geschafft aus dem Agrarland einen High-Tech-Staat zu machen, in dem die Menschen aber weiterhin ihre Traditionen leben. Ich könnte bei Siemens in der Chefetage hocken und dort jeden Tag in Tracht herumlaufen, mit kurzen Lederhosen und nackten Waden - keiner würde etwas sagen. Das ist für mich Bayern: Highend-Technologien kombiniert mit uralten Traditionen.

Gehlen: Wir haben einmal eine Einladung zu einem Empfang der Bayerischen Staatsregierung bekommen und der Dresscode lautete: Smoking, Uniform oder Tracht.

SPIEGEL ONLINE: Gehören zu den gelebten Traditionen nicht auch überlebte Rollenbilder?

Gehlen: Da hat sich viel verändert, denn viele Familien brauchen heute ein zweites Gehalt. Frauen sollen auch immer gerne dann arbeiten, wenn das Geld gebraucht wird.

SPIEGEL ONLINE: Aber die Kita-Quoten sind in Bayern trotzdem deutlich niedriger. Wie erklären Sie sich das?

Gehlen: Ich kann nur über die Verhältnisse hier in Hamburg reden. Und ich finde die Kita-Politik dieser Stadt ist arbeitnehmer-, familien- und frauenfreundlich.

SPIEGEL ONLINE: Provinzpolizist Franz Eberhofer tut sich etwas schwer mit seiner Vaterrolle.

Bezzel: Ich finde, der Franz macht das nicht schlecht. Er erzieht das Kind so, wie er auch erzogen worden ist. Den Besuch in einem riesigen Spielzeugladen findet er zum Beispiel grauenvoll. Er ist eben der Meinung, dass es für den Kleinen Tausend mal besser ist, mit einer Brezel in der Hand die Hühner zu füttern, als mit Plastik zu spielen.

SPIEGEL ONLINE: Aber an seiner Verlässlichkeit könnte er doch ein wenig arbeiten. Ist Sebastian Bezzel als Papa zuverlässiger als Franz Eberhofer?

Gehlen: Sebastian ist ein toller Vater. Ich verbringe zwar mehr Zeit mit den Kindern, weil ich oft in Hamburg am St. Pauli-Theater arbeite und Sebastian häufiger auf Drehreise ist. Aber wenn er hier ist, ist er voll dabei.

SPIEGEL ONLINE: Mussten Sie beruflich zurückstecken, um für die Kinder da zu sein?

Gehlen: Naja also, wenn sich mir eine Filmfigur wie der Eberhofer bieten würde, dann würden wir das schon bewerkstelligen, auch wenn es fürchterlich anstrengend wäre. Vielleicht hätte mich das aber auch als Mama etwas unglücklich gemacht in den letzten Jahren. Bei Vätern ist das etwas anders, oder?

Bezzel: Manchmal sitze ich im Zug und bin froh, dass ich mich auf meine Rolle konzentrieren kann. Und dann hocke ich irgendwo alleine in einem Hotelzimmer und denke: Was mache ich hier eigentlich? Am Telefon höre ich zuhause lautes Lachen, während sie Pfannkuchen backen. Da kann man auch in ein Einsamkeitsloch fallen.

Gehlen: Und ich wünsche mir hin und wieder ein ruhiges Hotelzimmer in einer anderen Stadt, um zum Beispiel ungestört Texte lernen zu können. Das ist normal. Insgesamt hat sich bisher alles gut gefügt.

SPIEGEL ONLINE: Wer kauft denn die Schuhe für die Kinder und kennt ihre Stundenpläne?

Bezzel: Das machen wir zusammen.

Gehlen: Also, um ehrlich zu sein, für den Überbau bin ich zuständig. Ich denke an alles und plane Arztbesuche, Kindergeburtstage, Geschenke, Einladungen. Das Ausführen der Aufgaben teilen wir uns - wenn Sebastian nicht unterwegs ist.