"Ich bin ein bisschen fauler als meine Frau"

in "Der Spielmacher"
Ein Gespräch mit Frederick Lau über Vaterrolle, Männerbild und wie zufrieden er ist mit einem sehr traditionellen Familienmodell. Für Spiegel Online.
Spiegel Online
12.04.2018
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ZUR PERSON
Fredrick Lau, Jahrgang 1989 und ehemaliger Berliner Judomeister, steht seit Kindertagen vor der Kamera. Für seine Rollen in "Die Welle" und "Victoria" erhielt er jeweils den Deutschen Filmpreis, für seine Darstellung in "Neue Vahr Süd" gab es gleich mehrere Auszeichnungen, etwa den Grimme-Preis. In seinem neuesten Film "Spielmacher" spielt er einen Ex-Fußballer, der in kriminelle Geschäfte verwickelt ist. Mit seiner Frau, der Moderatorin Annika Lau, hat er zwei Kinder, ein und drei Jahre alt.

SPIEGEL ONLINE: Sie spielen häufig Männer, die von Machos umgeben ihre sensible Seite zeigen. Ist diese Rolle - Mann mit Gefühl in hartem Milieu - Ihr Ding?

Lau: Ich liebe Milieufilme, Rollen, die uns Einblicke geben in Welten, die wir nicht kennen. Privat bin ich natürlich nicht in so einem problematischen Milieu unterwegs. Ich bin Familienvater, wohne ganz gediegen, habe einen kleinen Garten. Ich hatte immer eine Affinität zu fremden Welten, auch abseits vom Film. Davor habe ich keine Angst und möchte auch nicht die Augen verschließen vor dem, was es alles gibt.

SPIEGEL ONLINE: Als Jugendlicher haben Sie geweint, wenn Sie beim Judo oder beim Eishockey verloren haben. War Ihnen das peinlich?

Lau: Zu verlieren hat mir sehr wehgetan. Mein Vater hat immer gesagt, ich sei ein schlechter Verlierer. Er hat aber auch gesagt, Weinen sei völlig in Ordnung. Mittlerweile kann ich besser damit umgehen, aber ich finde es wichtig, Gefühlen Ausdruck zu verleihen.

SPIEGEL ONLINE: Weinen Sie heute noch?

Lau: Ich bin nah am Wasser gebaut, auch wenn ich mit meiner Frau auf der Couch sitze und Filme anschaue. Weinen ist wichtig, um etwas herauszulassen und dann neu zu beginnen. Ich habe ein Bild für meinen Sohn gekauft. Darauf steht "Boys don't cry". Das "don't" habe ich durchgestrichen. Es hängt nun über seinem Bett.

SPIEGEL ONLINE: Können Sie beim Drehen auf Kommando weinen?

Lau: Nein, das geht nicht - schnipp - auf Kommando. Manchmal überlege ich die ganze Nacht, wie ich zu diesem Moment des Auflösens komme. Wenn man sich zu sehr anstrengt, dann klappt es nicht. Ich gehöre nicht zu denen, die sich vorstellen, dass ihr Vater verstorben ist, sondern ich fühle den Moment und die Reaktion der Figuren. Im Schauspiel ist es wichtig, dass die Dinge wirklich in einem vorgehen, dass man sie nicht nur erzählt.

SPIEGEL ONLINE: Ist Ihr Vater eine Figur, an der Sie sich orientieren?

Lau: Mein Vater war derjenige, der mich immer überall hingefahren hat, zum Sport zum Beispiel. Er war immer für mich da. Er hat mir aber nicht von oben herab den Zeigefinger gezeigt, sondern mich meine eigenen Erfahrungen sammeln lassen. Meine Mutter war immer da, wenn ich nach Hause kam.

SPIEGEL ONLINE: Klingt behütet. Möchten Sie es heute zu Hause am liebsten so haben wie früher in Ihrem Elternhaus?

Lau: Bei mir zu Hause ist meine Frau die Chefin. Bei jedem harten Mann, den ich kenne, hat zu Hause die Frau die Hosen an. Ob wir draußen in der Welt gut dastehen und als Männer gut funktionieren, hängt auch von unseren Frauen ab. Ich glaube, die meisten Frauen freuen sich darüber, uns den Spielplatz da draußen zu lassen und zu Hause alles unter Kontrolle zu haben.

SPIEGEL ONLINE: Ein sehr traditionelles Familienmodell.

Lau: Ich bin damit total glücklich, und das ist auch richtig so. Ich bin vielleicht ein bisschen... konservativ würde ich jetzt nicht sagen, ich bringe auch die Kids zum Kindergarten. Aber meine Frau ist einfach die bessere Köchin; beim Tragen von schweren Sachen bin ich dagegen im Vorteil. Ich bin auch eher derjenige, der den Kindern gegenüber mal ein Machtwort spricht.

SPIEGEL ONLINE: Sehen Sie sich als Vater gleichberechtigt und gleichverpflichtet neben der Mutter - etwa bei der Hausarbeit?

Lau: Ich finde, die Mama ist die Mama und der Vater ist der Vater. So bin ich aufgewachsen. Im Haushalt bin ich ein bisschen fauler als meine Frau. Sie hat eher den Überblick und sie hält mir bewusst den Rücken frei, wie ein Regisseur. Sie sagt: Ich schaffe dir ein Umfeld, in dem du optimal arbeiten und dich ausleben kannst.

SPIEGEL ONLINE: Erstaunlich konservativ.

Lau: Ja, aber so ist das. Ich bin halt ein Arbeitstier. Und dann lagen da wunderschöne Rollen auf dem Tisch, die ich einfach nicht ablehnen konnte. Jetzt arbeitet meine Frau auch wieder. Und ich möchte genau die gleiche Rolle für sie einnehmen, ihr ein gutes Umfeld schaffen. Meine Frau traut mir aber nicht immer zu, dass ich das hinkriege. In ihrem Kopf spielt sich wahrscheinlich ein Horrorszenario ab, wenn sie mich mit den Kindern allein lässt.

SPIEGEL ONLINE: Wie sehen Sie die #MeToo-Diskussion?

Lau: Ich war schon immer gegen protzige Männer, die anderen - egal ob Mann oder Frau - von oben herab begegnen. Ich bin gern mit Menschen zusammen, die mit anderen Menschen gut umgehen. Meiner Erfahrung nach haben Schauspielerinnen viel mehr Selbstzweifel als Männer. Damit sind sie prädestiniert dafür, von überheblichen Menschen geschädigt zu werden. Natürlich ist das Machtmissbrauch.

SPIEGEL ONLINE: Erleben Sie Belästigungen am Set?

Lau: Ich erlebe etwas Positives: Praktikantinnen kommen häufig als kleine Mäuschen und treffen am Set auf eine Crew, zu der auch Macker gehören. Am Ende des Drehs wissen auch die Praktikantinnen, dass man ab und zu mal sagen muss: Halt deine Klappe und geh jetzt weiter. Das ist eine positive Entwicklung. Außerdem finde ich, wenn man merkt, dass jemand sich nicht traut, sich zu wehren, dann sollten die Stärkeren eingreifen. Man muss sich einmischen.
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Der Film "Spielmacher" mit Frederick Lau in einer Hauptrolle kommt am Donnerstag, 12. April 2018, in die Kinos.