Die Kunst, einen Garten zu malen
Drei gewaltig hoch gewachsene Kiefern stehen vor dem weiß verputzten Einfamilienhaus in Nienstedten. Denkmäler einer 150 Jahre alten Baumschule. Friederike von Ehren führt mich durch ihr Büro und die Wohnküche geradewegs hinaus in den eigenen Garten, der schon auf den ersten Blick ihre Handschrift zeigt.
Aber erstmal möchte sie unbedingt auf das öffentliche Grün in Hamburg zu sprechen kommen. „Ich war gerade in München, dort ist alles wunderschön bepflanzt. Hier ist das öffentliche Grün verkommen und ungepflegt, überall Birkensämlinge und Unkraut. Das ist ein Kulturverlust!“ Und schließlich, meint sie – zurückhaltend, aber bestimmt – hätten wir doch in den Vierlanden die Produzenten direkt vor der Haustür. Man könnte die Vierlande-Gärtner unterstützen, findet sie, und gleichzeitig für mehr Verkehrssicherheit sorgen. „An manchen Stellen kann man ja nicht mehr abbiegen!“ Und außerdem geht es ihr um die Ästhetik.
Wir blicken in das weite gepflegte Grün ihres eigenen Gartens, hier und da ein paar Farbtupfer. Was macht einen guten Garten aus? Zuallererst gelte es herauszufinden, was der Gartenbesitzer möchte, erklärt sie mir. „Ich selbst wollte in diesem Garten Erholung schaffen für mein Auge. Ich sehe so viele verschiedene Gärten, das ist manchmal Wirrwarr und Wildwuchs. Da wollte ich aus dem Fenster schauen und Ruhe haben. Strukturen schaffen und gar nicht so viel Buntes.“
Als sie vor einigen Jahren ihren Garten neu anlegte, wurde erstmal kräftig gerodet und geschnitten. Wenn ihr etwas nicht gefällt, dann kommt es eben weg! „Ich verbinde oft Alt und Neu in den Gärten. Dafür muss dann auch einiges gehen. Das ist für manche schmerzhaft, aber wenn Altes weicht, entdeckt man Dinge, die man vorher nicht gesehen hat.“
Strukturen schaffen also und Räume bilden. Ein Busch ist nicht einfach nur ein Busch, eine Hecke nicht einfach eine lange gerade Hecke. Treppen, Balkone und Spiralen, Würfel und Kugeln, Kanten, geschwungene Linien ... Hier waren Gartenkünstler mit der Heckenschere am Werk. Legt sie denn selbst Hand an? „Natürlich! Mein Mann auch. Diese Schnitte machen wir selbst. Die Formen entstehen beim Tun.“ Sie arbeitet gern mit unterschiedlichen Höhen und Stufen, macht aus den Rhododendren kleine immergrüne Bäume, damit sie noch etwas Interessantes darunter pflanzen kann. „Es muss eine gewisse Spannung fürs Auge da sein: Farben, Düfte, Blattformen. Man sollte etwas entdecken können.“
Die alte Hamburger Baumschutzverordnung ist ihr ein Dorn im Auge. „Sie führt dazu, dass die Stadt heute in den meisten Stadtteilen sehr verschattet ist. Viele Gärten sehnen sich nach Tageslicht. Wo man früher freien Elbblick hatte, schaut man heute auf Laub. Überhaupt, große Laubbäume sollten einen Mindestabstand von 20 Metern zum Haus haben.“
Wir stehen vor ihrem Lieblingsbaum, einer fast 150 Jahre alten Flusszeder, die ihr Urgroßvater aus Paris von der Weltausstellung mitgebracht hat. In kurzer Entfernung ein zweites Haus auf dem Grundstück. Als sie Kind war – sie wurde 1965 geboren – wohnte dort ihr Großvater. „So war das früher, die Firma direkt nebenan. Er ging zu Fuß ins Kontor, so hieß das bei uns.“ Seit 1865 war die Baumschule Lorenz von Ehren hier in Nienstedten beheimatet, lieferte in die Nachbarschaft, aber auch bald bis Kopenhagen und Russland, später nach China oder Argentinien.
„Unsere Kletterbäume waren dann plötzlich weg und an anderen Orten wiederzufinden. Das war witzig. Wir lebten in einem kleinen Mikrokosmos, auch Mitarbeiter der Baumschule wohnten auf dem Gelände.“ Besucher kamen und gingen. Intensiv wurden freundschaftliche Beziehungen zu Kunden und Gartenarchitekten gepflegt. „Es war ein großes Haus, in dem gelebt und gearbeitet wurde.“
Und so ähnlich hält sie das auch heute: Ihr Büro direkt neben der Wohnküche, alles offen; Arbeit und Familie – sie hat drei Kinder, die Älteste hat gerade ihr Abi bestanden – alles unter einem Dach. An der Wand schön gezeichnete Entwürfe und das Bild des weitverzweigten Stammbaums der Familie von Ehren. 1993 zog die Baumschule nach Marmstorf, wo sie noch heute von Friederikes Cousin Bernhard von Ehren geführt wird. Nicht weit davon entfernt leitet ihr Bruder Johannes ein Gartencenter, ihre Schwester Katharina hat sich als internationale Baummaklerin einen Namen gemacht. Eine Garten-Dynastie.
Im Marmstorfer Gartencenter hat Friederike von Ehren ihren ersten Schaugarten aufgebaut. Doch musste der weichen, weil die Familie beschloss, einen Teil des Geländes zu verkaufen. Anstoß für sie, sich 2006 selbständig zu machen mit dem, was sie am allerliebsten tut: Garten-Design.
Ein wenig wehmütig denkt Friederike von Ehren an die Zeit ihrer Kindheit und noch weiter zurück: „Das Geschäft hat sich dramatisch geändert.“ Heute seien nicht mehr viele Menschen bereit, Zeit in die Auswahl einzelner Pflanzen zu investieren. Bestellungen erfolgten meist aus dem Katalog vom Schreibtisch aus. „Ich versuche, das in meinem Bereich wieder aufzubrechen.“ Obwohl sie natürlich alle Baumschulen und Händler der Umgebung kennt, stattet sie ihnen noch oft einen persönlichen Besuch ab. „Ich möchte die Pflanzen erleben. Bilder und Filme können nicht alles abdecken. Das menschliche Auge ist immer noch unübertroffen.“ Manchmal lässt sie sich von einzelnen Gewächsen inspirieren, macht Fotos und setzt sich erst anschließend an das Design.
Ein Besuch in einer Baumschule ist für sie wie ein Galeriebesuch. Gern vergleicht sie ihr Metier mit der Kunst, denn eigentlich wollte sie Kunstgeschichte studieren. Aber dann schwenkte sie doch um, durchlief eine Gärtnerausbildung und studierte anschließend Landespflege und Gartenarchitektur in Weihenstephan bei München. Ein Praxissemester in London, im Mutterland der Gartenkultur, inklusive.
Die Liebe zur Kunst ist geblieben und findet ihren Ausdruck darin, dass sie gern Skulpturen in ihren Gärten platziert. „Es gefällt mir, Kunstwerke so zu stellen, dass das Auge neben den weichen Strukturen, dem Organischen auch einen Halt findet oder einen Bremser.“ Diese Funktion, erklärt sie mir, könnten auch schön geformte Bänke, Amphoren, Rosenbögen oder Pergolen erfüllen.
Nachdem sie einen Garten designed und die Pflanzen ausgesucht hat, ist sie natürlich vor Ort, wenn diese geliefert und aufgestellt werden. „Da wird noch ein wenig gedreht, dieser Busch ein Stück vor, jener ein Stück zurück... Das fühlt sich vielleicht ähnlich an, wie ein Bild fertig zu malen.“ Eigentlich sei das Kunst, findet sie, kombiniert mit pflanzentechnischem Wissen über Standorte. Ein entscheidender Unterschied bleibt aber doch: Dem Maler wachsen seine Farben nicht entgegen.
Und wie fühlt es sich an, wenn der Auftraggeber auf die Gestaltung des Kunstwerkes Einfluss nimmt? Letztendlich, meint sie, müsse der Bauherr entscheiden oder die Bauherrin. „Ich bin da nicht rigoros.“ Und ihre Kunden kommen schließlich zu ihr, weil sie just ihren Stil mögen. Am schönsten ist es natürlich, wenn ihr jemand freie Hand gibt. Dann verzichtet sie ganz auf die Pläne und lässt sich beim Setzen der Pflanzen vor Ort inspirieren.
Beim Blick auf die kunstvoll und akkurat geformten Büsche in ihrem Garten, die in gebührender Entfernung voneinander als Einzelstücke wirken können, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. In meinem Garten wachsen die Eiben in die Rhododendren und diese wiederum verdrängen die armen Rosen. Kann man einen schönen Garten haben, ohne Expertin zu sein oder Experten zu beschäftigen? Sie beruhigt mich, das sei möglich. Aber: „Es soll zu jeder Jahreszeit etwas blühen und das ganz, ganz pflegeleicht? Das gibt es nicht!“
Wenn ich allein schon an die Bewässerung denke. Stundenlang mit dem Schlauch in der Hand im Garten stehen, während andere mit einem Drink in der Hand die Abendsonne genießen... Wer übernimmt das denn hier? „Ich“, antwortet sie, „das macht mir Spaß!“ Ein wenig nachdenklich schaut Friederike von Ehren auf ihren Schmetterlingsflieder, der noch nicht blüht. „Ich glaube, ich möchte jetzt doch wieder mehr Farbe und werde einiges neu überlegen.“ In ihrem Garten ist nichts für die Ewigkeit gedacht.