Schauspielerin Claudia Eisinger: "Mich verfolgt die Vision einer Pyramide"

Claudia Eisinger (Jahrgang 1984) bekam 2016 für ihre Rolle als depressionsgeschüttelte Karo in dem Film "Mängelexemplar" den Deutschen Schauspielpreis. In der Fernsehserie "Zarah - Wilde Jahre" kämpfte sie 2017 als rebellische Journalistin gegen die patriarchalen Strukturen eines bedeutenden Printmagazins, außerdem engagiert sie sich in dem kreativen Netzwerk "Club der jungen Wilden". Eisinger wuchs in einer Berliner Arztfamilie auf und lernte an der Ernst-Busch-Schauspielschule.
SPIEGEL ONLINE: Sie waren fast das ganze vergangene Jahr auf Reisen. Was hat Sie fortgetrieben?
Eisinger: Viele Dinge in meinem Leben haben sich nicht mehr wahr angefühlt. Es stand eine große Veränderung auf sämtlichen Ebenen an. Ich wusste anfangs nicht, wohin mich diese Reise bringen würde. Letztlich war ich zweimal in New York, unter anderem, um Schauspielunterricht am William Esper Studio zu nehmen, dann auf Bali und in Colorado. 2018 ist für mich ein lebensveränderndes Jahr geworden.
SPIEGEL ONLINE: Weshalb war das nötig?
Eisinger: Mir wurde alles zu eng. Ich musste mich in meine Freiheit aufmachen, um mich nicht nur der Schauspielerei auf neue Weise anzunähern, sondern auch anderen künstlerischen Kanälen nachzuspüren.
SPIEGEL ONLINE: Lag der Grund für diese Auszeit auch am Misserfolg der ZDF-Serie "Zarah - Wilde Jahre"? Es war bestimmt deprimierend, als Serien-Hauptfigur kurzerhand ins Nachtprogramm abgeschoben zu werden.
Eisinger: Ehrlich gesagt, nein. Ich habe es nicht persönlich genommen. Allerdings war der Dreh für mich eine einschneidende Erfahrung.
SPIEGEL ONLINE: Was war so einschneidend?
Eisinger: Wir sollten von einer revolutionären Zeit erzählen - aber bitte nicht zu radikal. Dieser Widerspruch war für mich einfach schwer auszuhalten. Ich fand es absurd, eine rebellische Figur zu spielen, die Zwänge aufbrechen wollte, und gleichzeitig als Schauspielerin in einem redaktionsbeherrschten starren System zu stecken. Ich fühlte mich dadurch sehr begrenzt.
SPIEGEL ONLINE: Wie wurde die Reise zu einem Neuanfang?
Eisinger: Zwar liebe ich die Schauspielerei sehr, aber sie ist nicht das einzige, was mich ausmacht, das weiß ich schon länger. Und außerdem werde ich nicht mein ganzes Leben in Deutschland verbringen. Mit dieser Reise gebe dem Raum, was in mir schlummert und schon lange raus möchte.
SPIEGEL ONLINE: Konkret heißt das: Sie haben in Bali ein Modelabel gegründet, "What would Bella do?".
Eisinger: Ich sage nicht so gern Label. Für mich ist das eher ein Multi-Ausdruckskanal. Zwar habe ich begonnen, unter diesem Namen Kleidung zu machen, aber das ist nur der Anfang. Weitere Projekte, zum Beispiel ein Podcast, sollen folgen. Die Frage "What would Bella do?" richtet sich an die Instanz in uns, die frei ist von Masken und gesellschaftlichen Rollen, die wir im Leben spielen. Wie würden wir leben, wenn wir diesem höheren Teil in uns folgen würden anstatt der gesellschaftlichen Norm?
SPIEGEL ONLINE: Was für Kleidung haben Sie entworfen?
Eisinger: Unter anderem Kimonos. Der Kimono ist ein zeremoniell aufgeladenes Kleidungsstück, das Halt gibt. Er könnte das Gewand einer Superheldin oder einer Göttin sein. Ich hatte die Ideen, und eine befreundete Modedesignerin in Bali hat sie für mich in Schnittmuster übersetzt. Dann wurde alles per Hand genäht und bedruckt. Auf Bali hatte ich die Möglichkeit, die Produktionsbedingungen so zu gestalten, dass die Näherinnen nicht ausgebeutet werden. Mir war wichtig, persönlichen Kontakt zu ihnen zu haben, ihre Arbeitsbedingungen und ihren Verdienst zu kennen.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben außerdem den Plan für eine Pyramide entwickelt. Was steckt da denn dahinter?
Eisinger: Seit meinem Aufenthalt in New York verfolgte mich die Vision einer Pyramide, und der bin ich nachgegangen. Durch ihre Architektur und Positionierung sind Pyramiden seit Jahrtausenden hochenergetische Räume, die den Menschen helfen, sich mit dem universellen Bewusstsein zu verbinden. Ich möchte Oasen schaffen, in denen man für eine kleine Weile aus dem Hamsterrad aussteigen kann. Solche Orte brauchen wir mehr denn je.
SPIEGEL ONLINE: So richtig vorstellen kann man sich das jetzt aber noch nicht.
Eisinger: Ich kann noch nicht so viel verraten, nur dass ich mit einer Kuratorin und verschiedenen Künstlern an der Umsetzung arbeite.
SPIEGEL ONLINE: Bleibt bei all dem noch Zeit für die Schauspielerei?
Eisinger: Unbedingt. Ich bin sehr offen für das, was da jetzt auf mich zukommt.